QAnon: Sie glauben an die grosse Weltverschwörung, sie werden mehr und sie sind gefährlich (2024)

QAnon: Sie glauben an die grosse Weltverschwörung, sie werden mehr und sie sind gefährlich (1)

QAnon-Anhänger glauben, eine «globale Elite» wolle die Bevölkerung dezimieren, etwa mit einer Covid-19-Impfung. Bild: AP

Analyse

Anhänger der QAnon-Bewegung glauben an die grosse Weltverschwörung. Dafür werden sie oft als Spinner verspottet. Eine interne Facebook-Untersuchung zeigt nun: Die Gruppen haben einen enormen Zulauf – und gewinnen an politischem Einfluss. Das FBI warnt.

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In den USA wächst die Sorge angesichts der sogenannten QAnon-Bewegung, einem Sammelsurium von Verschwörungserzählungen, die im Internet verbreitet werden und zunehmend auch den Präsidentschaftswahlkampf beeinflussen. Die Anhänger von «Q» – einer virtuellen Kunstfigur – können fast ausschliesslich dem Trump-Lager zugeordnet werden. Die Bewegung zeigt extremistische Züge. Terrorexperten warnen davor, dass Verschwörungserzählungen wie QAnon zu einer realen Gefahr werden können.

Facebook geht von Millionen Anhängern aus

Eine interne, nicht öffentliche Facebook-Untersuchung soll nun Aufschluss darüber geben, wie viele QAnon-Anhänger sich über die Plattform austauschen, wie sie sich organisieren und welche Art von Inhalten sie teilen. Der US-Sender «NBC» konnte die vorläufigen Ergebnisse einsehen und berichtet, dass Facebook von Millionen Nutzern ausgeht, die sich auf tausenden von Seiten und grösstenteils geheimen Gruppen austauschen. Und: Das Netzwerk sieht darin offenbar eine Gefahr.

Allein in den zehn wichtigsten Gruppen seien mehr als eine Millionen Mitglieder organisiert, zitiert «NBC» aus dem Report. Allerdings ist es gut möglich, dass viele QAnon-Anhänger mehreren Gruppen angehören und von der Statistik doppelt gezählt wurden.

Wie will Facebook damit umgehen?

Unklar ist, wie Facebook mit den gewonnenen Erkenntnissen umgehen will – und ob überhaupt Massnahmen geplant sind. In der Corona-Krise ist das Unternehmen ungewöhnlich entschlossen gegen Falschnachrichten vorgegangen, etwa in Bezug auf esoterische Heilsversprechen. Auch Impfgegnergruppen gerieten wegen der Verbreitung von gefährlichen Kampagnen ins Visier der Facebook-Wächter. Zuletzt wurde sogar ein Beitrag von US-Präsident Donald Trump gelöscht. Am Dienstag gab Facebook schliesslich bekannt, dass man die Gangart gegen rassistische und antisemitische Stereotype weiter verschärfe.

Facebook könnte ein Werbeverbot für Anzeigen mit einem Bezug zu QAnon verhängen und seinen Empfehlungsmechanismus so anpassen, dass entsprechende Inhalte und Gruppen sich nicht mehr so leicht viral verbreiten können und weniger sichtbar sind. Twitter hat bereits entsprechende Massnahmen eingeleitet. Auf anderen Plattformen, insbesondere Telegram, bleiben die Verschwörungsideologen unbehelligt. Die WhatsApp-Alternative Telegram aus Russland wird daher immer mehr zum Sammelbecken für «Aluhüte».

Die unheimliche Corona-Verschwörung: Wie Telegram zur Fake-Schleuder der Aluhüte wurde

QAnon steht schon seit einem Jahr unter Beobachtung

Laut «NBC» beobachtet Facebook die QAnon-Aktivitäten auf den eigenen Seiten schon seit Juni 2019. Damals hiess es, dies sei Teil einer Strategie, die den Fokus auf Gruppen mit einem möglichen Gewaltpotenzial legt.

Gleichzeitig profitiert das Unternehmen von der Anziehungskraft der Verschwörungserzählungen: Laut den Recherchen eigener Mitarbeiter hat die Plattform etwa 12'000 US-Dollar mit 185 Anzeigen verdient, in denen QAnon «gelobt, unterstützt oder vertreten» wurde. Die Anzeigen wurden allein in den vergangenen 30 Tagen vier Millionen Mal geklickt.

Für einige ihrer prominenteren Vertreter ist die QAnon-Bewegung zu einem Geschäftsmodell geworden: Über Facebook und andere Online-Plattformen vermarkten sie Merchandise-Artikel mit dem Buchstaben «Q» und diversen Insider-Sprüchen, mit denen sich die Anhänger zu erkennen geben.

Video: watson/leb

Die eigenen Mitarbeiter sind zunehmend besorgt

Facebook geht nach eigenen Angaben «routinemässig» gegen Beiträge von QAnon-Anhängern vor, wenn diese gegen die Community-Regeln verstossen. Laut einem Sprecher wurde vergangene Woche eine grössere QAnon-Gruppe mit 200'000 Mitgliedern wegen «unauthentischen Verhaltens» geschlossen. Das ist Facebook-Sprech für «Spam» oder gezielter Kampagnenführung durch Fake-Accounts. Konkret hätten die Mitglieder die Grenzen zu Mobbing und Belästigung, Hassrede und falschen Informationen überschritten.

Einigen Mitarbeitern geht das offenbar nicht weit genug: Gegenüber «NBC» äusserte ein Mitarbeiter anonym Bedenken, dass sich die Unternehmensführung weigern könnte, entschlossener gegen Verschwörungstheorien vorzugehen. Er gehe fest davon aus, dass die meisten QAnon-Gruppen gegen bestehende Richtlinien des Netzwerks bezüglich der Verbreitung von Fehlinformationen und Extremismus verstossen. In der Belegschaft wachse die Sorge, dass der Präsidentschaftswahlkampf 2020 ähnlich wie schon die Wahl Donald Trumps vor vier Jahren von Lügen und Manipulationsversuchen geprägt sein könnte.

Das Weltbild der QAnon-Anhänger zusammengefasst

QAnon-Anhänger glauben, dass Trump ihren Kampf gegen eine «globale Elite» anführt – einer Gruppe von überwiegend linksliberalen Politikern, Geschäftsleuten und Promis, die heimlich das Weltgeschehen lenken. Ihre zentralen Thesen spinnen sie sich aus angeblichen Insider-Informationen eines hochrangigen Mitarbeiters im Weissen Haus zusammen, dem viel zitierten «Q». In Internetforen kursieren unzählige Gerüchte, die sich auf angebliche Aussagen von Q berufen. Die Vorwürfe gegen den politischen Gegner reichen von Satanismus bis Kindesmissbrauch. Auch die «Pizzagate»-Erzählung lebt in der QAnon-Bewegung fort. 2016 wurde im US-Präsidentschaftswahlkampf von Trump-Anhängern die Verschwörungstheorie gestreut, wonach in einer Pizzeria in Washington ein Kinderp*rnoring agiere, in den auch die Kandidatin Hillary Clinton verwickelt sei.

Ein #QAnon-Anhänger erklärt die Verschwörungsideologie. #SPIEGELTV heute 23:25 Uhr, @RTLde pic.twitter.com/0PtGSKdhLP

— SPIEGEL TV (@SPIEGELTV) August 3, 2020

QAnon-Anhänger glauben, weltweit würden Kinder in Gefangenschaft gehalten, um aus ihrem Blut für eine satanistische Elite eine angebliche «Verjüngungsdroge» zu gewinnen. Politiker, Konzernchefs und Promis würden in unterirdischen Tunnelsystemen Kinder missbrauchen, sie essen und ihr Blut trinken. Das Kinderhilfswerk Unicef versorge sie dabei mit Kindern.

Prominente wie der deutsche Vegan-Koch Attila Hildmann, Sänger Xavier Naidoo oder zuletzt Robbie Williams verbreiten die teils antisemitische QAnon-Propaganda auch in Europa. Es erstaunt nicht, dass auch in der Schweiz und in Deutschland an Corona-Demonstrationen QAnon-Symbole zu sehen sind. Bei uns ist die Bewegung derzeit noch ein Sammelbecken für radikale Impfgegner, Esoteriker, Libertäre und Rechtsradikale. Über Plattformen wie Facebook, YouTube, WhatsApp und Telegram diffundieren die Verschwörungsmythen aber in die Gesellschaft. Ausgerechnet Menschen, die seit Jahren vor einer Pandemie warnten, etwa Microsoft-Mitgründer Bill Gates, wurden so für die QAnon-Anhänger zum Feindbild.

FBI warnt vor «potentieller Terrorismusgefahr»

Selbst das FBI kam 2019 zu dem Schluss, dass von der Gruppierung eine «potentielle Terrorismusgefahr im Inland» ausgeht. Es werden bereits mehrere Gewalttaten und mindestens zwei Morde auf den Einfluss der Verschwörungserzählungen zurückgeführt.

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QAnon wird zur Weltbewegung: QAnon-Anhänger demonstrieren in Bukarest (Rumänien) gegen Corona-Schutzmassnahmen. Bild: keystone

In konservativen Kreisen zählt QAnon hingegen fast zum Mainstream. Auf Pro-Trump-Wahlkampfveranstaltungen gehören T-Shirts und Flaggen mit QAnon-Schriftzug zum Bild. Mittlerweile erhält die Bewegung aber auch die offizielle Unterstützung von republikanischer Seite. Laut der Medienseite «Media Matters» haben mindestens 70 republikanische Politiker öffentlich zu verstehen gegeben, dass sie Teile der QAnon-Ideologie für richtig halten. Das deutet darauf hin, dass die Republikaner hier ein grosses Wählerpotenzial sehen, das es auszuschöpfen gilt.

Am Mittwoch bekundete Trump auf Twitter offen seine Unterstützung für eine QAnon-Anhängerin, die für die Republikaner für den Kongress kandidiert. Das Problem. Die Politikerin ist nicht nur Verschwörungsideologin, sie ist auch Rassistin und Antisemitin.

(oli/str/t-online.de)

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